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Balz im Frühling
Bei uns an der Kastanie vor dem Heimatmuseum merkt man es zuerst. Hier pflegen
sich an lauen Abenden zur Frühlingszeit die jugendlichen Schönen des Bezirks zu versammeln und dem Minnespiel
hinzugeben.
Kichernd hängen sie an den Lippen ihrer Bewunderer, die heftig bemüht sind ihre Männlichkeit durch
das Schwenken von Bierdosen und markiges Spucken auf den Asphalt unter Beweis zu stellen. Der besonderen Bewunderung
kann sich jener Bewerber sicher sein, der es versteht, durch lautstarkes Rülpsen nach einem tiefen Schluck
aus der Dose bei den Vorübergehenden mindestens ein Kopfschütteln zu provozieren.
Sie sind wieder da, so wie jedes Jahr- kein Zweifel, der Frühling hat Einzug gehalten, und nicht nur bei der
Zehlendorfer Dorfjugend bewirkt er bemerkenswerte Reaktionen.
Ich für meinen Teil kann mir zum Beispiel nur mit Mühe vorstellen, das Herz einer begehrenswerten Unbekannten
zu erobern, indem ich mich ihr eilends nähere, heftig mit dem Fuß aufstampfe um sie anschließend
mit geschwelltem Hals mehrmals ruckartig zu umrunden, wobei ich mich gleichzeitig auch noch im Kreise drehe. Den
Zehlendorfer Taubendamen scheint aber gerade das der Inbegriff des optimalen Gatten zu sein, wie man unschwer beobachten
kann.
Auch das Nachahmen des Paarungsverhaltens der Katzen ist infolge akustischer Belästigung der Umwelt nicht
empfehlenswert. Wer vor dem Schlafzimmerfenster seiner Angebeteten durch stundenlange wilde Schreie auffällt,
wird schon sehen; was er davon hat. Vermutlich fliegen nur die Stiefel der Nachbarn aus dem Fenster.
Und schon gar nicht kann ich mich mit den Gewohnheiten gewisser Spinnenweibchen anfreunden. Bekanntlich haben die
ihre Partner zum Fressen gerne.
Aber auch der Umgang der Primaten untereinander gibt Anlass zum Nachdenken. Das etwas ungenierte Verhalten der
Affen, die im Zoo recht hemmungslos ihr Liebesverhalten zeigen, ist für die meisten von uns sicher nicht nachahmenswert.
Nun, auch wenn man glaubt, etwas diskreter zu sein hält das Schicksal manch herbe Überraschung bereit.
In der U-Bahn fiel mir ein junges Madchen auf. Oh, wie wunderschön sie anzusehen war. Geschmackvoll gekleidet,
ein feines Gesicht. Zierliche Figur, schmale Hände; kurz: eine Prinzessin. Ich konnte den Blick nicht von
ihr wenden. Das Erwachen war jäh, enttäuschend und sehr desillusionierend: "Eh Alter, was glotzt'
n so?" sprach sie mich mit tiefer Stimme an. Meine Angebetete war ein Mann.
Ich habe mich in diesem Augenblick sehr danach gesehnt, wieder zu Hause bei meiner geduldigen Gefährtin zu
sein. Wir beide sind aus der Zeit der Frühlingsbalz nun doch schon ein paar Jahre heraus. Im Gegensatz zu
unseren Mädchen. Die Große beobachte ich immer öfter, wie sie mit leuchtenden Augen dem Treiben
ihrer Altersgenossen an der Kastanie zuschaut.
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